Lärm-Messung und Lärm-Bewertung
Beginn: 1995
Projektdauer: 1995 - heute
Projektleitung: Dr. rer. nat. Dirk Windelberg

Anlass
Die Ursache der hier betrachteten Lärm-Messung und -Bewertung ist nächtlicher Verkehrslärm. Für diesen Lärm ist typisch, dass er nicht kontinuierlich wirkt, sondern nur bei einer Vorbeifahrt eines Schienenfahrzeugs bzw. einem Start oder einer Landung eines Flugzeugs. So ist insbesondere die Bewertung nächtlichen Verkehrslärms nicht einfach, da eine einzelne sehr laute Vorbeifahrt zum Aufwachen führen kann, obwohl der "mittlere Nachtpegel" einen ruhigen Schlaf verspricht.

Wie sollte vorgegangen werden, wenn
die Lärmbelastung durch nächtlichen Schienenverkehrslärm an einem festgelegten Ort
mit der Lärmbelastung durch nächtlichen Schienenverkehrslärm an einem anderen Ort
verglichen werden soll?

Mittelung bei Verkehrslärm mit Lärmpausen
Zunächst einige allgemeine Bemerkungen:
Es wurden Messgeräte entwickelt, die zwar vielleicht nicht den nächtlichen Lärm (ohne konkrete Angaben zu den einzelnen Vorbeifahrten), aber dafür
- an einem bestimmten Ort (wie z.B. in Hamminkeln)
- während jeder Vorbeifahrt eines Zuges
- alle 0,2 Sekunden
- den jeweils augenblicklichen Lärmpegel in der Einheit "A-bewertete Dezibel" [dB(A)]
messen.

Es gibt Rechenverfahren, mit denen ein "Mittelungspegel" von mehreren Lärmpegeln berechnet werden kann; aber es ist nicht bekannt, wie ein solcher Mittelungspegel auf einen schlafenden Menschen wirkt.

Wir betrachten hier eine Mess-Station, die z.B.
- von einem ausgewählten Gleis in einem definierten Abstand (z.B. 10 Meter) steht
und dort
- bei jeder Vorbeifahrt eines Zuges vom Zeitpunkt der Überschreitung eines Grenzpegels (von z.B. 50 dB(A)) bis zum Unterschreiten des o.g. Grenzpegels
- in Zeitschritten von jeweils 0,2 Sekunden den "Vorbeifahrpegel" registriert.

Mit einer solchen Dokumentation einer Vorbeifahrt werden bei einer gemessenen Vorbeifahrzeit von 12 Sekunden insgesamt 60 Einzelpegel dokumentiert:

Wie können diese Pegel bezüglich ihrer Wirkung auf einen schlafenden Menschen beurteilt werden?
(1) Es kann ein Maximalpegel der Einzelpegel der jeweils 0,2 Sekunden wirkenden Vorbeifahrpegel bestimmt werden.
(2) Es kann der Mittelwert dieser Einzelpegel berechnet werden.
(3) Es kann die Uhrzeit dieser Vorbeifahrt angegeben werden.
(4) Es kann die Dauer der Vorbeifahrt angegeben werden.
Wenn nur die Daten (1) und (2) erfasst werden, ist es nicht möglich, die Wirkung dieser Vorbeifahrt auf den Schlaf eines Anwohners zu bewerten.

Offene Fragen sowie bisher nicht (genau) definierte Begriffe und Grenzwerte
(F1) Welcher Verkehrslärm stört zu welcher Nachtstunde und sollte daher beschränkt werden?
Bei Schienenverkehrslärm sind es die einzelnen (Vorbeifahr-)Pegel, die den Schlaf eines Anwohners (je nach der jeweiligen "Schlaftiefe") stören (können).
Die "Schall 03" als Regelwerk zur Berechnung von Schienenverkehrslärm berücksichtigt jedoch nicht die Wirkung eines einzelnen Vorbeifahrpegels, sondern die Wirkung eines "Stundenpegels", d.h. eines Mittelwertes aus Vorbeifahrpegeln und der "Ruhe" zwischen zwei aufeinanderfolgenden Vorbeifahrten.
Für das Aufwachen ist es uninteressant, ob ein Anlieger bei einem Lärm-Mittelwert aufwachen würde - oder nicht.

Für die Belastung durch Schienenverkehrslärm gibt es vom Eisenbahn-Bundesamt "Lärm-Kartierungen". Aus diesen lässt sich für jeden Ort in Deutschland "die (mittlere) Lärmbelastung (in dB(A) infolge des Schienenverkehrs" ist:
Dazu werden zunächst die Vorbeifahrpegel der einzelnen Züge berechnet:
- für den Tag (6 - 18 Uhr): Vorbeifahrpegel ohne Zuschlag
- für den Abend (18 - 22 Uhr): Vorbeifahrpegel mit 5 dB(A) Zuschlag
- für die Nacht (22 - 6 Uhr): Vorbeifahrpegel mit 10 dB(A) Zuschlag
Mit Hilfe einer Ausbreitungsrechnung wird dann für die Umgebung die Lärmbelastung in der Umgebung des Schienenweges bestimmt.
(In der Annahme, dass die jeweils subjektive Wahrnehmung von "Lärm zu einem bestimmten Zeitpunkt" durch diese Zuschläge angemessen beschrieben wird.

Hier werden nur die Störungen durch Schienenverkehrslärm während der Nacht betrachtet.
Damit soll
- für jeden Ort in Deutschland
- für eine ausgewählte Woche eines Jahres
- für jede Nacht dieser Woche
die jeweilige nächtliche Belastung durch Schienenverkehrslärm beschrieben werden.
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Wie aber sollte die Wirkung einer nächtlichen Vorbeifahrt auf einen schlafenden Menschen bestimmt werden?
Und wie sollte die Wirkung sämtlicher während einer Nacht vobeifahrenden Züge auf einen schlafenden Menschen bestimmt werden?
Und wie sollte diese angegeben oder beschrieben werden?


Zwischenergebnis der Messungen in Hamminkeln:

In Hamminkeln wird seit 2011 jede Zugvorbeifahrt dokumentiert. Eine Darstellung sämtlicher Vorbeifahrten an den 7 Nächte einer Woche wurde am 20.10.2016 im Rathaus von Hamminkeln vorgestellt:

Dr. Dirk Windelberg:
"Schienenverkehrslärm gestern und heute"
Schienenverkehrslärm gestern und heute


(F2) Gibt es Sonderregeln für einzelne Wochentage?
Bisher gibt es zwar keine Sonderregeln, aber für eine Beurteilung der Lärmsituation wäre es sinnvoll, unter den 7 Nächten einer Woche die Nacht zu bestimmen, während derer die meisten Güterzüge vorbeifuhren.
Sinnvoll wäre eine Aufteilung der Nacht in die Zeiten
- zwischen 22 und 01 Uhr
- zwischen 01 und 05 Uhr
- zwischen 05 und 06 Uhr

(F3) Wird ein Mittelwert gebildet über die 7 Nächte einer Woche?
Bisher wird die Lärmbelastung einer "`durchschnittlichen"' Nacht (ohne genaue Definition für eine solche Nacht) berechnet.
Eine solche Berechnung ist jedoch unbefriedigend, denn die Unterschiede bezüglich der Lämbelastung sind an den einzelnen Tagen / Nächten / Stunden / Vorbeifahrten sehr gross:

Es gibt keine "durchschnittliche Nacht"

Für ein mögliches Aufwachen ist nicht der Nacht-Mittelungspegel, sondern der Vorbeifahrpegel verantwortlich!

Für die Belastung durch Schienenverkehrslärm gibt es vom Eisenbahn-Bundesamt sowohl für den Tag als auch für die Nacht "Lärm-Kartierungen", die erkennen lassen, wie hoch die Lärmbelastung in der Umgebung von Schienenwegen ist: Damit ist für jeden Ort in Deutschland der durch Schienenverkehrslärm verursachte Lärm-Mittelungspegel sowohl für den Tag also auch für die Nacht angegeben: Leider ist weder angegeben, welche Nacht einer Woche, welche Stunde, welcher Güterzug mit welcher Vorbeifahrzeit ausgewählt wurde: Daher sind die vom EBA angegebenen Parameter nicht geeignet, um die nächtliche Lärmbelastung zu beschreiben oder diese vergleichend zu bewerten.

Aufweckreaktionen lassen sich weder aus Mittelungspegeln einer Stunde noch aus denen einer Nacht bestimmen: sie werden durch Vorbeifahrpegel einzelner Güterzüge oder Lokomotiven erzeugt, und diese Spitzenpegel sollten bezüglich Wochentag, Uhrzeit, Höhe und Dauer registriert und dokumentiert werden.

(F4)Wie sollte die Wirkung einer nächtlichen Vorbeifahrt auf einen schlafenden Menschen bestimmt werden?

(F5) Wie sollte die Wirkung sämtlicher während einer Nacht vobeifahrenden Züge auf einen schlafenden Menschen bestimmt werden?

(F6) Wie sollte berücksichtigt werden, dass die Vorbeifahrdauer eines Güterzuges etwa 70 mal länger ist als die Vorbeifahrdauer eines Strassenfahrzeugs?


Dr. Dirk Windelberg - Vergleich Strassen- und Schienenverkehrslärm Vergleich zwischen
Lärm-Belastung durch nächtlichen Strassenverkehr
und
Lärm-Belastung durch nächtlichen Schienenverkehr
auf den Schlaf von Anwohnern
Projektdauer: 2017 - heute
Projektleitung: Dr. rer. nat. Dirk Windelberg

Nach einer Beschreibung der hier verwendeten Formel zur Addition einzelner Vorbeifahrpegel von Schienen- und Straßenfahrzeugen während jeweils einer Stunde werden charakteristische Merkmale nächtlicher Vorbeifahrten einerseits der Verkehrsart Straße und andererseits der Verkehrsart Schiene dargestellt.
In einem zweiten Teil werden Aufweck-Kriterien beschrieben, die sowohl bei Straßen- als auch bei Schienenverkehrslärm zu kurzzeitigen Aufweckreaktionen führen können.
Ein dritter Teil beschreibt die Wirkung sämtlicher lauter Vorbeifahrten einer Nacht - sowohl im Straßen- als auch im Schienenverkehr.

1. Messung und Addition von mehreren Verkehrs-Lärmpegeln

Zur Messung von Verkehrslärm an einem vorgegebenen Ort in einem definierten Abstand von einer Lärmquelle (Straße oder Schiene) werden Schallpegelmesser verwendet. Um verschiedene Lärmsituationen infolge von Vorbeifahrten von Straßen- oder Schienenfahrzeugen miteinander vergleichen zu können, werden hier jeweils die während einer Stunde an einem geeigneten Ort gemessenen Vorbeifahrpegel zu einem "Stundenpegel" zusammengefasst. Dieser soll dann für jeweils eine (Nacht-)Stunde die Lärm-Belastung beschreiben.

2. Stundenpegel s(H)

Als "Stundenpegel" s(H) einer Stunde H gilt das für eine Stunde H berechnete energetische Mittel der während dieser Stunde H vorbeigefahrenen Schienen- bzw. Straßenfahrzeuge.
Wenn z.B. n Pegel pi (mit einem Index i zwischen 1 und n) innerhalb einer gewählten Stunde H jeweils für eine Zeit ti wirken, dann wird ein Stundenpegel s(H) nach der Formel

s(H)=51+10. log10 (summe(i=1) (i=n) t i / 3600 . 10 0,1 . p i )

berechnet.

2.1 Beispiel H1 (Eine Vorbeifahrt während einer Stunde)

Wir setzen: n=1, Vorbeifahrzeit t1=12 s, Pegel p1 =68 dB(A):
Dann ergibt sich der Stundenpegel s(H1)=51+10. log10 (12 / 3600 . 10 6,8 ) = 51 + 10. log10 (21.0 )=51+13=64

2.2 Beispiel H2 (Zwei Vorbeifahrten während einer Stunde)

Wir setzen: n=2, t1=12 s, t2=18 s, p1 =68 dB(A), p2 =74 dB(A):
Dann ergibt sich der Stundenpegel s(H2)=51+10. log10 (12 / 3600 . 10 6,8 + 18 / 3600 . 10 7,4 ) = 51 + 10. log10 (336,5 )=76,3


3. Nächtlicher Verkehrslärm

3.1 Nächtlicher Straßenverkehr

3.1.1 Annahme

Ein 5 Meter langes Straßenverkehrsmittel benötigt für die Vorbeifahrt an einem festen Ort bei einer Fahrt-Geschwindigkeit von 100 km/h eine Vorbeifahrzeit t1=0,18 Sekunden mit einem Vorbeifahrpegel p1=90 dB(A).

3.1.2 Abstands-Annahme

Nach der Vorbeifahrt herrscht während der Zeit t2=1,62 Sekunden "Ruhe" mit einem Pegel p2=45 dB(A).

3.1.3 Zusammenfassung der Modellierung von nächtlichem Straßenverkehr

Es fährt während der 8 Nachtstunden alle 1,80 Sekunden jeweils ein Straßenverkehrsmittel mit einer Vorbeifahrzeit von 0,18 Sekunden. Es folgt eine Lärm-Pause von 0,18 Sekunden. Da sich diese Zeiten (0,18 s + 1,62 s = 1,80 Sekunden [Vorbeifahrzeit und Pause]) alle 1,80 Sekunden wiederholen, und da 2000 . 1,80 Sekunden = 3600 Sekunden = 1 Stunde ist, wird hier der nächtliche Straßenverkehr wie folgt modelliert:
Für 4 der 8 Nachtstunden: 2000 Vorbeifahrten pro Stunde auf der Straße, (also insgesamt 6 Minuten Vorbeifahrzeit mit 90 dB(A)) und 54 Minuten Ruhe mit 45 dB(A).
Für die übrigen 4 Nachtstunden: 1000 Vorbeifahrten pro Stunde auf der Straße, also insgesamt 3 Minuten Vorbeifahrzeit mit 90 dB(A) und 57 Minuten Ruhe mit 45 dB(A).

3.2 Nächtlicher Schienenverkehr

3.2.1 Annahme

Ein 520 Meter langer Güterzug benötigt für die Vorbeifahrt an einem festen Ort eine Vorbeifahrzeit t2 =24 Sekunden mit einem mittleren Vorbeifahrpegel p3 = 85 dB(A) während 22 Sekunden und einem maximalen Vorbeifahrpegel p4 = 100 dB(A) während 2 Sekunden.

3.2.2 Abstands-Annahme

Es fährt alle 10 Minuten ein Güterzug (also 6 Vorbeifahrten) mit jeweils 24 Sekunden Vorbeifahrdauer: 22 Sekunden mit 85 dB(A) und 2 Sekunden mit 100 dB(A)
und in der übrigen Zeit einer Stunde, also in t3:= 3600-6. 24=3456 Sekunden, herrscht Ruhe mit einem Pegel p2=45 dB(A): 3456 Sekunden mit 45 dB(A).

4. Vergleichende Bewertung

4.1 Wirkung einer Vorbeifahrt auf den Schlaf eines Anwohners

Die Unterschiede zwischen Straßen- und Schienenverkehrslärm bezüglich einess ruhigen Schlafes sind erheblich:
Während Vorbeifahrten von Straßen-fahrzeugen häufig , (meist) nicht sehr laut, kürzer als 1 Sekunde stattfinden, führen Vorbeifahrten von Güterzügen seltener, aber (meist) sehr laut, länger als 10 Sekunden zu Aufwachrektionen.

4.2 Wirkung auf den Schlaf eines Anliegers

Die oben genannten prinzipiellen Unterschiede zeigen bereits, dass es nicht ausreicht, für die Beschreibung der Lärmbelastung an einem festen Ort die Höhe eines Nacht-Mittelungspegels (als Mittel über 8 Nachtstunden) anzugeben, denn Straßen- und Schienenverkehrslärm ändern sich in den drei Lärmparametern Anzahl, Dauer und Pegel ständig - und damit auch von Nacht zu Nacht.
Die Beschreibung von Verkehrslärm zeigt: Weder für den Straßenverkehr noch für den Schienenverkehr kann während oder nach einer Vorbeifahrt vorausgesagt werden, wie groß die Anzahl möglicher Schlafstörungen infolge dieser Vorbeifahrt war.
Die Anzahl möglicher Schlafstörungen während einer Nacht kann nicht vorausgesagt werden, denn diese Anzahl ist abhängig von
- dem Frequenzbereich des jeweiligen Vorbeifahrpegels
- der Höhe des Maximalpegels und des mittleren Vorbeifahrpegels (in dem angegebenen Frequenzbereich) und
- der Dauer des maximalen und des mittleren Vorbeifahrpegels jedes einzelnen vorbeifahrenden Fahrzeugs.
Daher kann interpretiert werden:
Für einen schlafenden Anwohner an einem Straßen- oder Schienenweg kann die Aufwach-Wahrscheinlichkeit infolge einer Vorbeifahrt eines Fahrzeugs auf einer Straße oder einer Schiene nicht vorhergesagt werden.

Ursache: Schienenverkehrslärm

Wirkung: Aufweckreaktionen

("Lieber viele kurze als wenige lange Vorbeifahrpegel" oder "Lieber viele kurze leisere als wenige lange lautere Vorbeifahrpegel"?)

5. Mögliche Maßnahmen zur Minderung der Höhe der Vorbeifahrpegel von Güterzügen

5.1 Halbierung der Geschwindigkeit zwischen 00.00 und 04:00 Uhr in Wohngebieten innerhalb geschlossener Ortschaften

5.2 Bekanntgabe der Anzahlen von Güterzug-Vorbeifahrten an den einzelnen Wochentagen (für verschiedene Richtungen)

5.3 (mittlere und) maximale Dauer der Vorbeifahrten

Es ist nicht möglich vorherzusagen,
- ob Schienenverkehrslärm einen schlafenden Anwohner aufweckt, während Straßenverkehrslärm bei gleichem Nacht-Mittelungspegel zu keiner Aufweckreaktion führt -
oder (umgekehrt):
- ob Straßenverkehrslärm einen schlafenden Anwohner aufweckt, während Schienenverkehrslärm bei gleichem Nacht-Mittelungspegel zu keiner Aufweckreaktion führt!



Hannover, 29. November 2018